His Majesty's Dragon
Bis auf eine tiefe Faszination für die Werke Tolkiens, die ich vermutlich mit unzähligen Menschen teile, bin ich kein besonderer Enthusiast des „Fantasy“-Genres. Oft genug bin ich bei dem Versuch gescheitert, mein Interesse für die Handlung zu bewahren, während im Prolog erbarmungslos die unaussprechlichen Namen der Charaktere, Völker, Schauplätze, politische und sonstige Interessengruppen angeführt werden, deren Kenntnis vorausgesetzt wird, um die Handlung überhaupt beginnen zu können. Ein besonders frustrierendes Beispiel für mich ist Neal Stephenson’s „Anathem“, das mit einem kontextlosen Abriss einer 7000-jährigen Geschichte in einer erfundenen Zeitrechnung beginnt, die schwer zu begreifen kaum sein könnte.

Da ist „His Majesty’s Dragon“, das ich auf Englisch gelesen habe, von dem es aber auch eine deutsche Übersetzung gibt, schon eher nach meiner Façon: Zwar ist das Genre eindeutig Fantasy, aber – ähnlich wie bei „Das Lied von Eis und Feuer“ – enger mit der Realität verwandt, die wir kennen. Die fantastischen Elemente sind so sparsam platziert, dass sich die Umstände, unter denen sich die Geschichte entfaltet, leichter nachvollziehen lassen.
So spielt diese Geschichte während der Napoleonischen Kriege und verfolgt einen jungen, britischen Marinekapitän, der nach der Enterung eines feindlichen französischen Schiffes an dessen Bord ein Drachenei findet.
Drachen sind in dieser Welt ein seltener, wenn auch kein absurder Anblick. Sie als Bestandteil des täglichen Lebens zu bezeichnen, wäre maßlos übertrieben, aber sie sind, ob ihrer Eigenschaften als fliegende, monströse Bestien, fest als eigene Waffengattung in die Militärs Europas integriert. Ob der vielen Eigenheiten in der Haltung von Drachen, ist diese Form einer vorindustriellen Luftwaffe jedoch weitgehend vom Rest der Gesellschaft abgegrenzt. Deshalb herrscht auch an Bord des Schiffes gefährliches Halbwissen zu dieser Thematik vor.
Das führt dazu, dass der Kapitän, der dem Drachen den Namen „Temeraire“ gibt, von diesem als sein Reiter akzeptiert wird. Dadurch ist er gezwungen, die Marine zu verlassen und in das ihm fremde Fliegerkorps einzutreten. Es liegt auf der Hand, dass Anzahl, Qualität und Ausbildung der Drachen in dem Europa des Buches einen großen Einfluss auf den Ausgang der Schlachten und Kriege haben, immerhin haben sie alle Eigenschaften, die man von ihnen kennt: Sie sind riesig, schwer, haben scharfe Zähne und Krallen. Besonders begehrte Rassen und Züchtungen können auch Feuer oder Gift speien. Somit ist der Verlust des Dracheneis an die Kriegsgegner auf der britischen Insel für Napoleon besonders bitter.
Ich habe das Buch so genossen, dass ich sofort den zweiten Teil dieser „Temeraire“-Reihe in Angriff genommen habe.
