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Café Untergang

Schwarz-Weiß-Foto um die Jahrhundertwende vom inneren des Wiener Café CentralDas Wiener Café Central, ca. 1900, Bildrechte: Café Central im Palais FerstelAm Salzburger Bahnhof entdeckte ich dieses Schmuckstück an der Spitze des Bestsellerregals im „Press&Books“ – und das vollkommen zurecht! Freilich muss ich zugeben, dass Wien in meinem Herzen einen ganz besonderen Platz einnimmt und ich deshalb nur schwer ein objektiver Zeuge dieses Werks sein kann.

Dass sowohl Hitler, Stalin, Trotzki, als auch Tito im Jahr 1913 zeitgleich in der kaiserlich-königlichen Reichshaupt- und Residenzstadt wohnten, war für mich bis dato eher im Bereich des nutzlosen Wissens angesiedelt. Etwas, das man in ungerechtfertigter Selbstzufriedenheit in eine nächtliche politische Diskussion einfließen ließ. Eine Kuriosität, die man auf der Heimfahrt mit dem Taxifahrer diskutieren konnte, der, wie er beim Bezahlen zugab, Philosophie studiert hatte.

Dennoch ist es verwunderlich, dass sich vor Günter Haller noch niemand eingehend mit der Frage beschäftigt hat, wie es denn eigentlich zu diesem vermeintlichen Zufall kam. Haller findet die Antwort in der Nationalitätenfrage, die zu beantworten Stalin von Lenin speziell nach Wien geschickt wurde. In den „Schmelztiegel und Wasserkopf“ des – neben dem russischen – zweiten Vielvölkerstaates Europas.

Dem Anekdotenliebhaber in mir gefällt die erste Hälfte des Buches, in der sich die Protagonisten durch die Straßen, Männerheime und Cafés meines Wiens schlagen, wesentlich besser als die makropolitischen Abhandlungen weithin bekannter Umstände, die im letzten Drittel drohen, das Buch zu einem Pflichtschulgeschichtsbuch zu deklassieren. Zum Glück gelingt ihnen das nicht ganz, und Haller schafft zuletzt einen bravourösen Abschluss mit herzerwärmenden Anekdoten.