Amusing Ourselves to Deatch
Wie es in dem Vorwort der Auflage zum zwanzigsten Jubiläum der Erstauflage heißt, könnte man meinen, ich hätte Besseres zu tun, als ein derart altes Buch zu lesen, das mit dem Phänomen des Fernsehens ringt. Noch dazu ist selbst ebendiese Jubiläumsausgabe beinahe schon wieder zwanzig Jahre alt. Das Fernsehen spielt in meinem Leben außerdem eine äußerst untergeordnete Rolle. Seitdem ich aus dem Elternhaus ausgezogen bin/wurde, habe ich bewusst auf dieses Gerät verzichtet. Bildschirme hatte ich genug. YouTube, Netflix oder Amazon Prime war ständig an. Die endlose Wurst aus schlechten Nachrichten und Werbeschaltungen, die habe ich allerdings nie bis in meine Wohnung gelassen.
Doch der Klageschrei, den Neil Postman 1985 mit diesem Buch formuliert, basiert auf einer größeren, weiteren, fundamentaleren Beobachtung. Er argumentiert, brutal verkürzt, dass die Form der Nachricht die Qualität der Nachricht bestimmt. So ist der schriftliche des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts in seinem Grundwesen anders, als der audiovisuelle des zwanzigsten. Diese Aussage selbst übernimmt er von seinem Mentor Marshal McLuhan, der sie schon gute zwanzig Jahre vor Postman mit “the medium is the message” auf den Punkt brachte.
Neil Postman nennt als bezeichnend für diese, wie er sie nennt, fernsehbasierte Epistemologie die Wahl eines Schauspielers (Ronald Reagan) zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Aus der Ära “Gouverneur Schwarzenegger kritisiert Präsident Trump” mutet das prophetisch an.
Unserer Zeit sollte dieses Buch allerdings eine andere Warnung sein: Wenn das Medium die Qualität der Nachricht und die Epistemologie einer Gesellschaft bestimmt, klar, dann war die Zeitenwende vom gedruckten Wort zum TV ein klarer Schritt von Sein zu Schein, ein Schritt Richtung Sensationalismus, Kommerzialisierung und Profanisierung. Aber was bedeutet das für das Zeitalter der sozialen Medien? Der Journalist Johann Hari stellt sich diese Frage auch in seinem 2022 erschienenen Buch “Stolen Focus”.
When you log in to [Twitter] - it doesn’t matter whether you are Donald Trump or Bernie Sanders or Bubba the Love Sponge - you are absorbing a message through that medium and sending it out to your followers. What is that message? First: that you shouldn’t focus on any one thing for long. The world can and should be understood in short, simple statements of 280 characters. Second: the world should be interpreted and confidently understood very quickly. Third: what matters most is whether people immediately agree with and applaud your short, simple, speedy statements. A successful statement is one that lots of people immediately applaud; an unsuccessful statement is one that people immediately ignore or condemn.
Dass die Kommunikation via Instagram und TikTok dann im Vergleich dazu keinen unerwarteten Richtungswechsel gen Vernunft, Besonnenheit und akademischem Dekorum mehr erfahren wird, muss ich hier wohl kaum argumentieren.