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Bücher: März 2024

The Medium is the Message.

Amusing Ourselves to Deatch

Neil Postman
1985

Wie es in dem Vorwort der Auflage zum zwanzigsten Jubiläum der Erstauflage heißt, könnte man meinen, ich hätte Besseres zu tun, als ein derart altes Buch zu lesen, das mit dem Phänomen des Fernsehens ringt. Noch dazu ist selbst ebendiese Jubiläumsausgabe beinahe schon wieder zwanzig Jahre alt. Das Fernsehen spielt in meinem Leben außerdem eine äußerst untergeordnete Rolle. Seitdem ich aus dem Elternhaus ausgezogen bin/wurde, habe ich bewusst auf dieses Gerät verzichtet. Bildschirme hatte ich genug. YouTube, Netflix oder Amazon Prime war ständig an. Die endlose Wurst aus schlechten Nachrichten und Werbeschaltungen, die habe ich allerdings nie bis in meine Wohnung gelassen.

Doch der Klageschrei, den Neil Postman 1985 mit diesem Buch formuliert, basiert auf einer größeren, weiteren, fundamentaleren Beobachtung. Er argumentiert, brutal verkürzt, dass die Form der Nachricht die Qualität der Nachricht bestimmt. So ist der schriftliche des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts in seinem Grundwesen anders, als der audiovisuelle des zwanzigsten. Diese Aussage selbst übernimmt er von seinem Mentor Marshal McLuhan, der sie schon gute zwanzig Jahre vor Postman mit “the medium is the message” auf den Punkt brachte.

Neil Postman nennt als bezeichnend für diese, wie er sie nennt, fernsehbasierte Epistemologie die Wahl eines Schauspielers (Ronald Reagan) zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Aus der Ära “Gouverneur Schwarzenegger kritisiert Präsident Trump” mutet das prophetisch an.

Unserer Zeit sollte dieses Buch allerdings eine andere Warnung sein: Wenn das Medium die Qualität der Nachricht und die Epistemologie einer Gesellschaft bestimmt, klar, dann war die Zeitenwende vom gedruckten Wort zum TV ein klarer Schritt von Sein zu Schein, ein Schritt Richtung Sensationalismus, Kommerzialisierung und Profanisierung. Aber was bedeutet das für das Zeitalter der sozialen Medien? Der Journalist Johann Hari stellt sich diese Frage auch in seinem 2022 erschienenen Buch “Stolen Focus”.

When you log in to [Twitter] - it doesn’t matter whether you are Donald Trump or Bernie Sanders or Bubba the Love Sponge - you are absorbing a message through that medium and sending it out to your followers. What is that message? First: that you shouldn’t focus on any one thing for long. The world can and should be understood in short, simple statements of 280 characters. Second: the world should be interpreted and confidently understood very quickly. Third: what matters most is whether people immediately agree with and applaud your short, simple, speedy statements. A successful statement is one that lots of people immediately applaud; an unsuccessful statement is one that people immediately ignore or condemn.

- Johann Hari, Stolen Focus, 2022

Dass die Kommunikation via Instagram und TikTok dann im Vergleich dazu keinen unerwarteten Richtungswechsel gen Vernunft, Besonnenheit und akademischem Dekorum mehr erfahren wird, muss ich hier wohl kaum argumentieren.

Auris

Vincent Kliesch(nach einer Idee von) Sebastian Fitzek
2019

Sebastian Fitzek ist ein interessanter Charakter in der deutschen Buchwelt, soweit ich das beurteilen kann. Seine Werke werden von Kritikern in aller Regel zerrissen, aber dennoch stehen seine Neuerscheinungen in den Buchhandlungen stets prominent platziert. Er scheint vor allem die Nichtleser unter den Lesern zu erreichen, was ihm freilich ob der schieren Größe dieses Marktanteils konsistent einen Platz auf den Bestsellerlisten sichert.

Auris ist ein Hörbuch, das mir von Audible schon seit gefühlten Jahren vor die Nase gehalten wird und nachdem ich meine Wege zu und von der Arbeit in der Regel mit dem Hören von Podcasts berbringe habe ich mir gedacht: “Warum nicht auch einmal ein Hörbuch?”

Nun ja, ohne viele Worte verlieren zu wollen: Es ist nicht besonders gut.

Die Protagonistin wird erzählt, als sollte man sich mit ihr identifizieren können, ist aber so sympatisch wie ein Stahlschiefer im kleinen Zeh. Sie eckt ständig an, aber oft - so macht es den Anschein - nur aus Spaß am Streit. Vor allem ihr Verhalten zu ihrem Freund, der ihr treu ergeben ist, ist so unangenehm, dass es schwer zu ertragen ist.

Auch im Ausdruck und der logischen Kontinuität auf der Mikroebene der Geschichte stechen manche Passagen hervor wie ein rostiger Nagel aus einem Becher Heiße Liebe.

Sätze wie

Er hatte sich schon oft vorgestellt, wie es wohl sein würde, entführt zu werden, oder selbst ein Entführer zu sein (…), aber dass er selbst einmal das Opfer einer Entführung sein würde, hätte er sich nie träumen lassen.

oder ”(…) sie beschloss eine Entscheidung zu treffen” sind wohl Dinge, die jeder Gymnasiallehrer in einer Schularbeit rot anstreichen würde.

Auch wenn die Protagonistin ihren gescholtenen Freund in Verzweiflung anruft, nur um ihm zu erklären, dass sie keine Zeit dafür habe, seine Hilfe anzunehmen, sobald er sie anbietet, reißt es aufmerksame Hörer gewaltsam aus der Handlung.

Abschließend wird auch das Motiv eines Hackers, der die Protagonistin lange Zeit erpresst und damit die Handlung massiv aufhält, auf die lächerlichste Art und Weise aufgeklärt. Er hat sie offenbar zu einer schweren Straftat gegen ihren eigenen Arbeitgeber gezwungen, nur um ihr einen ungefragten, sinnlosen Gefallen zu tun. Nach dieser Erfahrung mit dem Werk Fitzek’s reicht für mich aus, um zu beschließen die Entscheidung zu treffen, die nächsten Jahre Abstand zu halten.