His Majesty's Dragon
Temeraire hat – wie für Drachen üblich – eine extrem enge Bindung zu seinem Reiter aufgebaut. In dem vom Naomi Novik geschaffenen Universum können Drachen bereits kurz nachdem sie aus ihren Eiern geschlüpft sind, sprechen. Sie lernen die Sprache, die rund um das Ei gesprochen wird, durch die Schale.
In diesem Europa sind Drachen allerdings hauptsächlich aufgrund ihrer militärischen Relevanz geschätzt, sie fungieren kaum als Strategen, Partner für ein tiefgehendes Gespräch oder sonst irgendwie als Quelle wertvollen intellektuellen Wirkens. Dieser Umstand sträubt sich gegen die Natur Temeraire’s, der es liebt, Bücher vorgelesen zu bekommen, sich für Musik und das Theater interessiert und auch gerne über Schlachtformationen und Strategie theoretisiert.
All das sind Vorzeichen, die darauf hinweisen, dass Temeraire einer ganz besonderen Drachengattung angehört. Als sogenannter Celestial gehört er zur Krönung chinesischer Züchtungen, die den europäischen um hunderte Jahre voraus und ebenso weit überlegen ist. Das Drachenei, aus dem Temeraire geschlüpft ist, war also ein Geschenk Chinas an Napoleon. Nun, da das Ei in die falschen Hände geraten ist, verträgt der chinesische Hof die Vorstellung nicht, dass ein einfacher Soldat zum Reiter eines Celestials gemacht wurde, der Züchtung, die in ihrer Kultur allein den Mitgliedern der kaiserlichen Familie vorbehalten ist.
Um die diplomatischen Spannungen zu lösen, die dadurch zwischen Großbritannien und China entstanden sind, wird Temeraire unter seinem und seines Reiters heftigem Protest nach China geschickt. Hier entfaltet sich die wahre Schönheit des Buches, weil es die Autorin schafft in dieser alternativen Welt gleich zwei komplett gegensätzliche kulturelle Zugänge zu skizzieren.
In China sind Drachen nämlich ihre eigenen Rechtspersönlichkeiten. Sie haben nicht unbedingt einen Reiter. Sie können Geld verdienen und dieses auch ausgeben. Sie üben Berufe aus, vor allem im öffentlichen Dienst, zum Beispiel als Verkehrsmittel oder Boten. Dieser starke Kontrast der Kulturen löst in Temeraire, der ohnehin schon jakobinische Tendenzen zeigt, etwas aus, das man wohl als Gewerkschaftsdenken bezeichnen könnte. Welche Früchte dies tragen wird, wird sich aber wohl erst im nächsten Band der Reihe zeigen.